Originally published at: https://freifunk-kreisgt.de/vorlage-48-2015/
Im Jahr 2015 war Freifunk in aller Munde, es war die Zeit der Geflüchtetenwelle, und viele Freifunk-Gruppen in ganz Deutschland versuchten, Teil einer Lösung zu sein.
So wurde auf Anfrage der Bezirksregierung z. B. die Zeltstadt in Schloß Holte-Stukenbrock über die Kollegen von Freifunk Lippe vernetzt — Freifunk Gütersloh hatte seinerzeit nicht die Mittel dazu. Auch in Gütersloh gab es den politischen Wunsch, die Freifunk-Initiative zu unterstützen, Vorlage 48/2015 war der erste Aufschlag.
Dies ist eine Aufarbeitung mit zeitlichem Abstand aus Freifunk-Sicht.
Anträge
Zur Hauptausschußsitzung im Februar 2015 stellte die CDU-Fraktion einen Prüf- und die Fraktionen von BfGT, Linken und Grünen dazu einen weitergehenden Ergänzungsantrag, wie aus den öffentlichen Sitzungsunterlagen der nachfolgenden Sitzung am 27.04.2015 hervorgeht.
Vorausgegangen waren informelle Austausche zwischen Mitgliedern des AK Asyl und der Freifunk-Initiative über den Status Quo und was ›man‹ machen könne. Die Bestandsaufnahme war eher ernüchternd, denn dort, wo wir mit Anwohnern sprachen, die prinzipiell bereit gewesen wären, ihre Bandbreite zu teilen, stießen wir auf das typisch deutsche Problem des nicht vorhandenen Breitbandausbaus. Wer nur DSL2000 oder noch weniger für seinen Haushalt hat, kann schlecht 10+ weitere Personen mitversorgen. (Technologiebedingt lag der Upstream dann nur bei 300-500 kBit/sec; 2000/500 kBit/sec, geteilt durch 10 Nutzer, läßt noch gerade 200/50 kBit/sec rechnerisch zu, das war auch schon 2015 zu wenig für sinnvolle Nutzung.)
Zudem haben wir erfahren müssen, daß unsere Freifunk-Knoten an Internetzugängen, die über den Dienstleister regio iT realisiert wurden, nicht funktionierten: unsere seinerzeit per UDP-Tunnel über Port 10000 aufgebaute Verbindung ins FFGT-Netz funktionierte dort aufgrund von Firewall-Regeln nicht. Das führte dann u. a. bei freiwilligen Feuerwehren z. B. zu privaten Richtfunkstrecken über mehrere Hops, damit in der Wache Internetzugang bereitgestellt werden kann. Der Ergänzungsantrag nimmt dieses Thema auf.
CDU-Antrag:
die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Gütersloh stellt für die Sitzung des am 17. Februar 2015 folgenden Antrag:
Die Verwaltung möge prüfen, wie die Initiative Freifunk Gütersloh in ihren Bestrebungen, ein stadtweites, drahtloses Netz aufzubauen, unterstützt werden kann.
Ergänzungsantrag:
- Die Verwaltung wird beauftragt, durch den Netzbetreiber Regio IT den Port 10.000 freizuschalten, umso die Voraussetzung zu schaffen, dass Freifunk Gütersloh an dem Netz der Stadt Gütersloh betrieben werden kann
- Zeitnah soll zusammen mit der Bürgerinitiative Freifunk Gütersloh die Versorgung des Rathaus (insbesondere der öffentlichen Wartebereiche wie z. B. das Bürgerbüro) sowie der Kulturräume realisiert werden.
- Des Weiteren soll geprüft werden, welche zusätzlichen städtischen Standorte – auch in der Nähe von oder in den Unterkünften für Flüchtlinge und Asylanten – sich für eine kurzfristige Realisierung eignen.
Zur Bearbeitung durch die Verwaltung wird die Beschlußfassung auf die übernächste HA-Sitzung (April 2015) vertagt.
Beschlußfassung
Die Verwaltung hat als Erwiderung der beiden Anträge für die Sitzung am 27.04.2015 folgenden Vorschlag ausgearbeitet:
Beschlussvorschlag:
Zur Einführung eines kostenlosen Wlan-Angebotes im Innenstadtbereich soll ein geeigneter Partner gefunden werden. In Kooperation mit der Geschäftsführung der Gütersloh Marketing GmbH sollen in Zusammenarbeit mit den Einzelhändlern die Möglichkeiten einer kostenlosen Wlan-Nutzung in der Innenstadt sowie die Chancen für den innerstädtischen Einzelhandel erörtert werden. Zur Umsetzung dieser Maßnahme sind Haushaltsmittel von bis zu 15.000 € zur Verfügung zu stellen. Angestrebt werden sollten die Abdeckung des im Anhang dargestellten Innenstadtbereichs sowie die Versorgung des Wartebereichs im Bürgerbüro.
Die Politik reagiert irritiert. Kurz zusammengefaßt: Aus mehreren Fraktionen kam Kritik, daß »die Vorlage der Verwaltung an den Anträgen der Fraktionen vorbei« gehe, die Bürgermeisterin erwiderte, »die Verwaltung habe den Wunsch verstanden, den Bürgern kostenloses Wlan anzubieten« und die Erste Beigeordnete führte aus, daß »die Verwaltung wie auch die kommunalen Spitzenverbände und die überwiegende Anzahl anderer Kommunen eine Beteiligung der Initiative Freifunk nicht unterstütze«.
Letztlich wird der Beschluß vertagt und zur nächsten HA-Sitzung »ein Vertreter der Initiative Freifunk Gütersloh eingeladen, um Stellung zu nehmen und Fragen zu beantworten«.
Nächster Anlauf also in der Sitzung des Hauptausschusses am 15.06.2015 (Sitzungsunterlagen, Protokoll).
Die Verwaltung zieht ihren Beschlußvorschlag zurück, die Erste Beigeordnete Lang führt dazu u. a. aus:
Es sei die Frage, ob es Aufgabe der Stadt sei, die Initiative Freifunk zu unterstützen. Es gebe genügend Anbieter, die das große Interesse nach einem freien Internetzugang im öffentlichen Raum schon in naher Zukunft befriedigen würden. Die Firma Unitymedia wolle schon bald in Gütersloh entsprechende Hotspots einrichten. Die Stadt Gütersloh gehöre damit zu den 100 Städten in Deutschland mit einem solchen Angebot.
Die Lage habe sich geändert, daher würde die Verwaltung nun nicht mehr vorschlagen, »öffentliches Geld für die Verbreitung von freiem WLAN zur Verfügung zu stellen«.
Die Fraktionen von BfGT, Grünen und Linken halten ihren Antrag vom Februar aufrecht.
Die CDU hingegen möchte nun keine Unterstützung von Freifunk durch die Stadt Gütersloh mehr, sondern überlegt, man könnte »Kontakte herstellen zwischen der Wirtschaft und der Freifunkinitiative« und die Wirtschaft könne dann mit der Freifunk-Initiative zusammenarbeiten — sowas hätte man auch in Harsewinkel beschlossen. Konkret lautet der Beschlußvorschlag der CDU nun:
Der Hauptausschuss nimmt die Vorlage und den Vortrag des Referenten zur Kenntnis. Er sieht die kostenlose Bereitstellung eines WLAN als Gewinn für die Attraktivität der Stadt und begrüßt eine mögliche Kooperation der örtlichen Wirtschaft mit der Freifunkinitiative Gütersloh. Eine Beteiligung der Stadt ist wegen der rechtlichen Lage zur Zeit nicht möglich. Sollten sich innerhalb der nächsten 6 Monate keine zufriedenstellenden Ergebnisse für die Nutzer ergeben, legt die Stadt das Thema erneut zur Beratung vor.
Der Antrag von BfGT, Grünen und Linken wird bgzl. Punkt 1 (Freischaltung Port 10.000 im Behördennetz) von der BMin Unger beanstandet; Herr Morkes beantragt daraufhin, über die Punkte 2 und 3 des Antrages abzustimmen.
Beschluss:
Zeitnah soll zusammen mit der Bürgerinitiative Freifunk Gütersloh die Versorgung des Rathauses (insbesondere der öffentlichen Wartebereiche wie z.B. Bürgerbüro) sowie der Kulturräume realisiert werden.
Des Weiteren soll geprüft werden, welche zusätzlichen städtischen Standorte – auch in der Nähe von oder in den Unterkünften für Flüchtlinge und Asylanten – sich für eine kurzfristige Realisierung eignen.
Ergebnis:
Mehrheitlich beschlossen mit 8 Ja-Stimmen ((4 SPD, 2 Grüne, 2 BfGT), 1 Nein-Stimme (1 BM), 7 Stimmenthaltungen (6 CDU, 1 UWG)Da der weitergehende Antrag der Fraktionen BfGT, Bündnis 90/Die Grünen und Die LINKE angenommen ist, wird über den Antrag der CDU nicht mehr abgestimmt.
Mit Ablauf des 15.06.2015 hatte die Verwaltung der Stadt Gütersloh also den Auftrag, »zeitnah« mit der Bürgerinitiative Freifunk Gütersloh »die Versorgung des Rathauses […] sowie der Kulturräume« zu realisieren. Sollte man meinen.
Aber wie sich im August herausstellte – Nobby Morkes, heute selbst Bürgermeister der Dalkestadt, wies darauf in einer geschlossenen Facebook-Gruppe hin –, hatte die BMin Unger den Beschluß des Hauptausschusses wohl bemängelt, derlei müsse der Rat entscheiden. Wieso das dann nicht direkt nach dem 15.06.2015 auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Rates gewandert ist — man weiß es nicht.
Zur Sitzung am 28.08.2015 (Sitzungsunterlagen, Protokoll) stand 48/2015 auf der Tagesordnung der Ratsitzung.
Allerdings mit einer klar gegen Freifunk positionierenden neuen Beschlußvorlage der Verwaltung:
Beschlussvorschlag:
Ein Bedarf für städtische Investitionen in ein großflächiges, kostenloses Wlan-Angebot wird aufgrund aktueller Marktaktivitäten nicht gesehen. Eine weitergehende Unterstützung der Freifunkinitiative Gütersloh durch die Stadt erfolgt nicht. Punktuell wird ein durch die Stadt finanziertes, kostenloses Wlan angeboten (z. B. in den Flüchtlingsnotunterkünften und in Teilbereichen des Rathauses).
BMin Unger führte u. a. aus:
Nach intensiver Diskussion sei im Hauptausschuss am 15.06.2015 mehrheitlich mit 8 Ja-Stimmen (4 SPD, 2 Grüne, 2 BfGT), 1 Nein-Stimme (1 BM), 7 Stimmenthaltungen (6 CDU, 1 UWG) Folgendes beschlossen worden:
Zeitnah soll zusammen mit der Bürgerinitiative Freifunk Gütersloh die Versorgung des Rathauses (insbesondere der öffentlichen Wartebereiche wie z.B. Bürgerbüro) sowie der Kultur Räume realisiert werden.
Des Weiteren soll geprüft werden, welche zusätzlichen städtischen Standorte – auch in der Nähe von oder in den Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbewerber – sich für eine kurzfristige Realisierung eignen.Diese Überprüfung habe auch unter Berücksichtigung des Rechtsgutachtens des Kreises zu dem Beschlussvorschlag in der Vorlage geführt. Weil der Rat abschließend zuständig sei, sei der Beschluss des Hauptausschusses noch nicht umgesetzt worden.
Wirklich überzeugen konnte die Verwaltung damit nicht.
- Die CDU hatte einen – entgegen der Protokollaussage offensichtlich nicht für die Öffentlichkeit dokumentierten – Änderungsantrag eingebracht, denn »man [sei] mit dem Verwaltungsvorschlag nicht einverstanden«, vielmehr wolle die CDU »eine Initiative, die getragen sei von dem Gedanken von Bürgern für Bürgern« unterstützen. »Die Stadt sollte nur dort tätig werden, wo noch Lücken vorhanden seien«.
- Die Grünen »unterstützten kostenloses WLAN ohne besondere Registrierung und daher die Initiative Freifunk. Man wolle keine kommerziellen Anbieter«, so das Sitzungsprotokoll.
- Die Linke bedauerte, daß »die Verwaltung den Antrag nicht in der Form geprüft habe, wie er formuliert worden sei«.
- Seitens der SPD wurde auf die »Förderung von bürgerschaftlichem Engagement« abgestellt und den Aussagen der Grünen-Vertreterin beigepflichtet.
Letzlich wird, nun im Rat, nochmals der HA-Beschluß beschlossen:
Beschluss:
Zeitnah soll zusammen mit der Bürgerinitiative Freifunk Gütersloh die Versorgung des Rathauses (insbesondere der öffentlichen Wartebereiche wie z.B. Bürgerbüro) sowie der Kultur Räume realisiert werden.
Des Weiteren soll geprüft werden, welche zusätzlichen städtischen Standorte – auch in der Nähe von oder in den Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbewerber – sich für eine kurzfristige Realisierung eignen.Ergebnis:
Beschlossen mit
28 Ja-Stimme(n) (15 SPD, 5 GRÜNE, 6 BfGT, 2 LINKE)
2 Nein-Stimme(n) (RM Schulte-Fischedick, BMin)
19 Stimmenthaltung(en) (18 CDU, 1 UWG)
Umsetzung
Im Rathaus wurde im Setember 2015 ein TP-Link 1043 installiert, worüber auf der vorhandenen WLAN-Infrastruktur des Rathauses die Freifunk-SSID realisiert wurde. Mit zunehmender Akzeptanz des Angebotes kam es zu einer Überlastung jenes Routers (einem Gerät für den Einstaz im Privatbereich oder einer kleinen Büroumgebung). In Absprache mit der Rathaus-IT wurde im Jahr 2018 auf dem kleinen Dienstweg der 1043 durch ein x64-basiertes System ersetzt.
Anfang 2016 wurden seitens der Stadt Gütersloh 2 TP-Link CPE 210 (Single-Band-Outdoor-Access-Points) im Alten Amtsgericht am Berliner Platz installiert — leider, unseren Informationen nach aus Gründen des Denkmalschutzes, hinter dem Fenster, also indoor.
Zum zweiten Teil des Beschlusses (es solle »geprüft werden, welche zusätzlichen städtischen Standorte – auch in der Nähe von oder in den Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbewerber – sich für eine kurzfristige Realisierung eignen«), gab es bezüglich der beiden Turnhallen (Spexard, Friedrichsdorf) eine Kontaktaufnahme seitens der Stadt. Es wurden in den damaligen Übergangsturnhallen des Landes im November 2015 je ein DSL-Anschluß gelegt und jeweils ein TP-Link 1043 dort zur Freifunk-Abdeckung seitens der Stadt, zusammen mit der Freifunk-Initiative, installiert. Unsere Anfrage nach einer Liste der städtischen Liegenschaften im Zuge dieser Installationen führte leider nie zu einem Ergebnis. Die Prüfung ist damit dann wohl seitens der Stadt Gütersloh abgeschlossen.
Situation heute
Im Rathaus Gütersloh gibt es Freifunk. Freifunk in den Kultur Räumen – Stadthalle Gütersloh und Theater Gütersloh – gibt es auch 2021 nicht — obwohl explizit im August 2015 vom Rat als »zeitnah zu realisieren« beschlossen. Die – unseres Wissens – einzigen beiden Freifunk-Router in Geflüchtetenunterkünften wurden nach kurzer Zeit wieder deinstalliert. Und während der Kreis Gütersloh seit Ende 2015 Freifunk generell in seinen Liegenschaften anbietet, die Bezirksregierung Detmold Freifunk in Polizeiwachen, Flüchtlings- und Quarantäneunterkünften unterstützt — fremdelt die Verwaltung der Stadt Gütersloh auch nach sechs Jahren noch mit der Idee eines freien Bürgernetzes.
Die Situation auf dem Berliner Platz ist unbefriedigend; Outdoor-Geräte mit Richt-Charakter innen zu verbauen, ist meistens kontraproduktiv. Denkmalschutz ist selten ein wirkliches Problem; andere Freifunk-Communities haben Denkmalschutzauflagen durch entsprechende Maßnahmen erfüllt (»wurde der Router in einem speziellen, vom Landesdenkmalamt vorgegebenen, Farbton lackiert«), das wäre auch am Berliner Platz möglich gewesen bzw. für die Zukunft möglich. Zumal, wo eine große, hellgraue Mobotix-Kamera außen geduldet wird, können die Auflagen für hellgraue, signifikant kleinere, Accesspoints eigentlich nicht hoch sein.
Das ist insofern ärgerlich, da einerseits die Outdoor-APs hinter Glas ineffizienter sind, zum anderen ist es auch kontraproduktiv, zwei Freifunk-Knoten direkt nebeneinander zu positionieren. Die schlechte Freifunk-Performance auf dem Berliner Platz fällt so leider auf die lokale Freifunk-Initiative zurück, obwohl es keine wirklichen Kontakte zwischen der städtischen Verwaltung und den lokalen Freifunkern zu diesem Aufbau gibt — an sich eine loose-loose-Situation.
Die im Jahre 2015 beschriebenen »aktuellen Marktaktivitäten« – »Mittlerweile wurde veröffentlicht, dass das Unternehmen Unitymedia den Startschuss gegeben hat, die Stadt Gütersloh zu großen Teilen mit kostenlosem Wlan zu versorgen. Die ersten Hotspots sind bereits eingerichtet« –, die die Erste Beigeordnete Lang so pries, haben sich als Luftnummern erwiesen; die Firma Unitymedia existiert nicht mehr (ist jetzt Teil von Vodafone), und »kostenlos« war jenes WLAN, wie auch bei BiTel, nur für die eigenen Kunden. Ende 2021 listet Vodafone immerhin drei, BITel noch zwei Hotspots im Stadtgebiet.
Zur Versorgung der Unterkünfte u. a. von Geflüchteten stellte die SPD-Fraktion am 09.04.2021 einen Antrag im Ausschuß für Soziales, Familien und Senioren, kurz ASFS, zur »WLAN-Versorgung in Flüchtlingsunterkünften«. Stand November 2021 ist daraus Vorlage 282/2021 geworden, und zukünftig der Ausschuß für Planung, Bauen und Immobilien zuständig. In Kontext des SPD-Antrags gab es auch ein Gespräch zwischen der städtischen Verwaltung und dem Vorstand des 4830.org e. V. Dazu an anderer Stelle demnächst mehr.